Leinenaggression

 

Es gibt Hunde, die sich frei laufend anderen Hunden und/oder Menschen gegenüber ganz sanft und freundlich oder völlig neutral oder sogar unterwürfig verhalten. Sobald man sie aber an die Leine nimmt, verwandeln sich diese Vaserln in aggressive Bestien. In solchen Fällen spricht man von Leinenaggression. Für die Definition ist es unerheblich, ob die Leinenaggression gegenüber anderen Hunden, Menschen oder beiden gezeigt wird. Wenn ein Hund allerdings auch in anderen Situationen, also wenn er nicht an der Leine ist aggressives Verhalten zeigt, dann spricht man nicht von Leinenaggression sondern von anderen Aggressionsformen, die aber auch behandelt werden müssen.

Eines haben leinenaggressive Hunde gemeinsam: Sie wollen nicht, dass andere Menschen und/oder Hunde sich ihnen nähern, solange sie an der Leine sind. Das aggressive Verhalten dient dazu, dem Anderen ganz deutlich zu signalisieren “Geh weg! Komm ja nicht näher!”

Wie aber entsteht Leinenaggression?

Es gibt drei grundsätzliche Ursachen für Leinenaggression, die auch in Kombination wirksam werden können:

1. Unsicherheit

Es gibt Anzeichen dafür, dass sich einige Hunde an der Leine wie in der Falle fühlen. Sie wissen, dass sie nicht weglaufen können. Als Ursache für diese Unsicherheit kommen verschiedene Faktoren in Frage:

  • Manche Hunde wurden nie bzw. nicht richtig mit fremden Hunden sozialisiert oder sind von Natur aus sehr scheu und haben diese Scheu trotz versuchter Sozialisation mit anderen Hunden nicht verloren.
  • Einige Hunde haben an der Leine schlechte Erfahrungen mit anderen Hunden gemacht, oder wurden sogar angegriffen und gebissen.

2. Aufregung und Frustration

Es gibt Hunde, die sich aus Freude andere Hunde zu sehen, so sehr aufregen, dass sie total durchdrehen. Diese Aufregung kann so stark werden, dass die Hunde ihre Reaktionen selber nicht mehr im Griff haben. Dazu kommt Frustration, da sie an der Leine nur langsam oder gar nicht zu dem anderen Hund hinkommen, bzw. beim nach vorne Springen von der Leine zurück gehalten werden. Die starke Aufregung in Kombination mit Frustration kann ebenfalls zu Aggression führen. Die Hunde lernen, dass es jedes Mal frustrierend ist, wenn sie einem anderen Hund begegnen.

3. Assoziation mit unangenehmen Gefühlen oder Schmerzen

Hunde lernen durch Assoziation. Sie verknüpfen oft Dinge die gleichzeitig oder nahezu zur gleichen Zeit passieren. Im Falle der Leinenaggression kann eine Verknüpfung vom unangenehmen Gefühl, das das Halsband verursacht, wenn der Hund nach vorne zieht mit dem entgegenkommenden Hund entstehen. Schlimmer noch wird es, wenn der Besitzer in so einem Fall mit Leinenruck arbeitet. Dann heißt es für den Hund: Wenn dir jemand entgegenkommt wird es nicht nur unangenehm, sondern es tut dir weh. Hunde sind nicht in der Lage diese Dinge mit ihrem Handeln in Verbindung zu bringen. Der Hund assoziiert: Fremder Hund = Schmerz. Das erzeugt in ihm Stress und dieser Stress äußert sich dann durch Aggression.

 

Was kann man tun?

Zunächst was man keinesfalls tun sollte: Leinenaggression kann man niemals über Einschüchterung (Druck, Leinenruck, Sprühhalsband oder gar Elektrotakter) abtrainieren. Leider werden diese Methoden trotzdem und noch immer von einzelnen Hundeschulen und Trainer/Innen empfohlen und es kann nur geraten werden um solche Leute einen großen Bogen zu machen. Denn selbst wenn man tatsächlich erreicht, das aggressive Verhalten eine Weile durch solche „Maßnahmen“ zu unterdrücken, wird es wieder und dann ganz unerwartet für den Hundehalter, dafür aber deutlich heftiger zum Ausbruch kommen. So geht’s also nicht. Wie aber geht es?

Es gibt einige Methoden, die sehr gut bei Leinenaggression funktionieren und auch eine dauerhafte Besserung mit sich bringen. Allerdings verlangt das Abtrainieren von Leinenaggression konsequentes Training und sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen vom Hundehalter. In jedem Fall ist es ratsam, sich an einen guten Hundetrainer/in zu wenden. Bitte nicht selbst an dem Problem herumprobieren! Ein guter Hundetrainer wird zunächst die Ursache für die Leinenaggression feststellen, bzw. ob es sich überhaupt um eine handelt und danach einen individuellen Trainingsplan erstellen. Gute Hundetrainer trainieren nicht nur auf ihrem Platz, sondern kommen zum Hund bzw. an neutrale Orte zum Trainieren. Mögliche Wege wären zum Beispiel die Gefühle des Hundes zu verändern (Unsicherheiten oder Ängste abzubauen), ihm alternative Verhaltensweisen anzubieten, eventuell auch ein Training zur Erhöhung der Frustrationstoleranz. Doch der erste Schritt sollte immer eine gute Leinenführigkeit des Hundes sein. In der Trainingsphase würde ich das Halsband durch ein bequemes, sicheres Geschirr ersetzen.

Gerade in der Anfangszeit ist auch vorausschauendes Führen sehr wichtig. Das heißt, man sollte aggressives Verhalten an der Leine schon von vornherein vermeiden, da der Hund in so gut wie allen Fällen für dieses Verhalten belohnt wird, denn der andere Hund verschwindet früher oder später (Briefträgereffekt). Je öfter ein Hund also dieses Verhalten zeigen kann, desto intensiver lernt er das Fehlverhalten und umso schwieriger und langwieriger wird eine Gegenkonditionierung. Hundehalter die gleich bei den ersten Anzeichen von Leinenaggression eine mit einem/einer guten Trainer/in arbeiten, können meist in wenigen Wochen das Training erfolgreich abschließen.

Die Grundlage zu jedem Training mit dem Hund ist aber die Bereitschaft des Hundehalters seine Position und sein Verhalten dem Hund gegenüber zu hinterfragen, denn hinter Stress und Angst steht meist die eigene Unsicherheit und ein Mangel des Hundes an Vertrauen in seinen Menschen. Die Folge, der Hund versucht eine ihm bedrohlich erscheinende Situation selbst zu lösen, anstatt das Problem an seinen Menschen (Rudelführer) abzugeben. Die wichtigste Aufgabe heißt daher: Werde zum Rudelführer Deines Hundes! Wie man das wird, und noch einiges mehr, lernt man in unseren Sachkundeseminaren.

 

 

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